botrytis

„Guter Schimmel, schlechter Schimmel“ – Ö1 Moment Kulinarium

Im heutigen Moment Kulinarium ist mir mal wieder die Zeit ausgegangen. Ich hätte noch so viele interessante Aspekte, lustige O-Töne und Hintergrundinfos gehabt, die ich entweder streichen musste, oder erst gar nicht ins Manuskript geschrieben hab. Gut, dass ich ein Blog habe, in der ich all das einfach reinschreiben kann, ganz ohne Platzbeschränkung. Aber erstmal zur Sendung selber:

Ich war in Robert Pagets Hofkäserei in Diendorf am Kamp. Dort habe ich nicht nur versucht, den Ziegen und Büffeln ein Geräusch zu entlocken (nicht geglückt, sie hielten mein Mikrofon höchstens für einen Snack, der anzuknabbern ist), sondern vor allem dabei zugeschaut, wie Camembert entsteht. Dafür landet eine winzige Menge Aspergillus camemberti im 50-Liter-Rohmilch-Kessel. Zu wachsen beginnt er allerdings unter den richtigen Bedingungen (16 Grad Celsius, 90% Luftfeuchtigkeit) in der Reifekammer. Zu Robert Pagets Bedauern ist die gemäß österreichischer Lebensmittelstandards komplett aus Plastik und nicht wie bei vielen französischen oder italienischen Käsen eine Naturreifekammer mit Ziegel- oder Höhlendecke. Apropos: Es gibt nicht nur bei der Herstellung sondern auch beim Verzeher kulturelle Unterschiede, erzählt der Käser – was bei buntverschimmeltem italienischem Taleggio oder französischem rinnenden Camembert gewünscht ist, wird bei uns oft als verdorben entsorgt.

Alexandra Liberda von Augora Fermente in Wien-Mariahilf hat mir von Schimmelpilz-Fermentation im Allgemeinen erzählt. Sie stellt unter anderm Tempeh, Miso und Sojasauce/Shoyu her und kennt sich gut mit Koji aus. Dessen weißen Schimmelflaum fand ich immer etwas gruselig. Aber seit ich bei Augora ein Stückchen Koji-Rote-Bete („vegetable charcuterie“), das aussah wie ein pinkes Marshmallow, und Koji-Reis-Paste, die von weitem wie Joghurt wirkte, probiert habe, find ich den Aspergillus oryzae ziemlich cool.

Um gleich bei den am Ende unsichtbaren Schimmeln zu bleiben: Trockenbeerenauslese, der besonders konzentrierte Süßwein, lässt sich nur herstellen, wenn die Trauben von Botrytis cinerea befallen werden und so komplett austrocknen können. Gerhard Kracher vom Weinlaubenhof Kracher in Illmitz im Burgenland macht in dritter Generation Botrytis-Wein, denn in seinen Weingärten am Neusiedler See herrschen die perfekten Bedingungen dafür. Die Herstellung ist sehr aufwendig, denn die Beeren werden einzeln geerntet (daher auch der Name) und es braucht zwischen drei und sieben Durchgängen, bis alle eingeholt sind. Auf dem Titelbild sind die Anfänge der Edelfäule zu sehen, sie wird wohl noch ein paar Wochen brauchen, glaubt der Winzer.

Zuallerletzt habe ich noch mit Konrad Domig, Leiter des BOKU-Instituts für Lebensmittelwissenschaften gesprochen. Er hat erklärt, was Schimmelpilze von Hefen unterscheidet, warum sie so schwer zu bestimmen sind und manchmal wirklich gefährlich werden können.

Lesestoff zum Thema:

  • „Koji Alchemy. Rediscovering the Magic of Mold-Based Fermentation“ – Rich Shih & Jeremy Umansky (Chelsea Green)
  • „Das Noma-Handbuch Fermentation. Die Grundlagen des Geschmacks“ – René Redzepi & David Zilber (Kunstmann)
  • „The Art of Fermentation“ – Sandor Ellix Katz (Chelsea Green)

Die Sendung ist noch bis kommenden Freitag hier nachzuhören, wenn ihr bis dahin die entsprechende Podcastfolge herunterladet, habt ihr sogar noch länger was davon.

Wie Pilzkulturen den Geschmack von Lebensmitteln verbessern

Abgesehen vom giftigen Schimmel auf Brot oder Fleisch, kann eine Pilzkultur den Geschmack vieler Lebensmittel verbessern, oder sie macht ihn überhaupt aus, z.B. der Weißschimmel auf Camembert oder Salami. Manchmal ist die Beteiligung des Schimmels beim fertigen Produkt nicht mehr sichtbar: Wein zum Beispiel bekommt durch Edelschimmel auf den Trauben ein besonderes Aroma, Sojasauce und Miso erhalten ihren Geschmack auch durch den Einsatz von Koji-Kulturen.

Österreich 1, Moment Kulinarium: 15.10.2021, 15:30h.

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